Biographisches

Biografisches

Der Bildhauer und Architekt Paul Franz Brenner zählt zweifellos zu den ungewöhnlichsten Künstlern Österreichs, da er sich nach seinem Architektur- und Botanikstudium einige Jahre lang der Almwirtschaft auf den Alpen in der Schweiz und in Österreich widmete. Dort erforschte er, abgeschnitten von der Welt, die dortige Pflanzenwelt und verschiedene Holzarten und dachte gleichzeitig über die existenziellen Probleme des heutigen Lebens nach. Seine Erfahrungen im Umgang mit der Natur verarbeitete er über Jahre in seinen organischen Skulpturen, die er aus verschiedenen, ausschließlich europäischen Holzsorten wie Nuss-, Kastanien-, Linden-, Kirsch-, Birnen-, Apfel-, Akazien-, Ölbaumholz etc. schafft. Bei der Oberflächenbearbeitung seiner Skulpturen behält er die Erkennungsmerkmale des Holzes bei und nützt die dekorativen Effekte der Naturstrukturen. Die Thematik seiner hölzernen Gestalten, die er WohnSkulpturen nennt, weil sie nicht nur zur Ausstellung in Galerien, sondern vielmehr zum Gebrauch in Wohnräumen gedacht sind, ist sehr ungewöhnlich, denn er widmet sich mythologischen, märchenhaften, geschichtlichen, politischen und anderen Inhalten auf eine ironische Art und Weise und mit einem ausgeprägten (expressiv deformierten) und einem abstrakt assoziativen Ausdruck, der auf eine mögliche praktische Verwendbarkeit der Skulpturen abgestimmt ist, die er – in Anknüpfung an die Tradition der kunsthandwerklichen Schnitzkunst – oft als Möbelstücke formt (Schränke, Tische, Stühle, Liegen etc.).

Mario Berdic

Paul Brenner und die Fetische der Gemütlichkeit

Die plastischen Arbeiten Paul Brenners sind eine Huldigung an den Werkstoff Holz. Die Wärme und die spröde Sinnlichkeit des Materials verleihen den Objekten eine magische Präsenz, die sich gleichberechtigt mit und unabhängig von den darstellerischen Inhalten der Skulpturen beziehungsweise deren funktionalen Aufgaben entfaltet.

Brenner, gebürtiger Innsbrucker, der in Graz Architektur, Musik und Botanik studierte, zog es schon früh zu einer engen Verbindung mit der Natur. Er suchte ihre Nähe, als Bergbauer im Tiroler Almland, als Heilpflanzensammler und als Hirte auf den steirischen Almen, wobei ihn die Arbeit mit dem Holz stets begleitete. Die Auseinandersetzung mit seinem Material ist für ihn Ausdruck des Dankes und der Wertschätzung des Formenreichtums der Natur: es geht um nichts Geringeres, als deren Schönheit und Harmonie in eine adäquate bildnerische Form umzusetzen.

Seine Sujets sind vom Corpus des Baumstammes her gedacht und stets aus einem Stück gearbeitet. Die Hözer hierfür lässt der Künstler bis zu 15 Jahre lagern und kennt nicht nur die Struktur und Beschaffenheit seiner Stämme, sondern auch ihre Herkunft und Vorgeschichten. „Bereits beim Aussuchen des Holzstückes versuche ich das unter der Oberfläche Liegende zu erkennen“, erläutert Brenner seine Arbeitsweise: „Ich sehe es als meine Aufgabe dieses ‚Darunterliegende‘ zum Ausdruck zu bringen.“

Nicht weniger bedeutsam als die Suche nach der Form an sich ist jedoch die Behandlung der Oberflächen, auf denen sich die Strukturen von Maserung, Einfärbungen, Rissen und Astlöchern als eigenständiges Bild entfalten. Wachstumsspurem, die ihre eigene Geschichte vom einstigen Werden des Baumstammes erzählen. Die Feingliedrigkeit der natürlichen Zeichnung im Holz steht im bewussten Kontrast zu den kompakten, geschlossenen Volumina der Skulpturen und verleiht ihnen gleichzeitig ihre Lebendigkeit. Dahinter verbirgt sich gleichwohl eine aufwendige Prozedur an Polituren beziehungsweise die Behandlung mit speziellen Harzen und Wachsen. Zuweilen werden die hölzernen Figuren durch Glasapplikationen oder Scheiben, gelegentlich auch durch polychrome Bemalung ergänzt.

Konsequenterweise sind die skulpturalen Schöpfungen Brenners hybride Gebilde, die sich aus den vorgegebenen Formen der Findlinge heraus entwickeln. Ein figuraler Kosmos, der gleichsam von einem sysnthetischen Animismus beseelt ist, bevölkert das Oeuvre des Bildhauers. Die Figuren scheinen aus dem Holzsstamm hervorzubrechen, ohne dabei ihre Herkunft aus dem hölzernen „Ursubstrat“ zu verleugnen.

Dennoch sind es keine Wesen von einem anderen Stern. Sie vermitteln nicht nur eine wohltuende Aura des Vertrauten, sondern sind auch grundsätzlich als benutzbar gedacht. Brenner, der eine Verbindung von Kunst und Funktionalität anstrebt, bezeichnet seine Objekte als Wohn-Skulpturen, die an der Schnittstelle von Bildhauerei und Architektur stehen. Dies ist wohl unabhängig davon zu sehen, ob den Skulpturen auch tatsächlich eine konkrete funktionelle Aufgabe zugewiesen wurde: sie be-wohen den Raum, den sie einnehmen und beleben ihn mit ihrer angenehmen Gegenwart und ihrer sinnlichen Ausstrahlung.

Dr. Ulrike Schuster (Kunsthistorikerin), Graz 2008